Gewalt gegen Einsatzkräfte ist kein neues Thema für die Polizei. Das staatliche Gewaltmonopol ist berufsimmanent damit konfrontiert. Heute findet Gewalt im öffentlichen Dienst überall statt: in Stadtverwaltungen, Kliniken und Schulen oder im Rettungsdienst. Was dagegen tun? Der Auftrag an die Polizei NRW kam aus der Politik: einen Leitfaden für Gewaltschutz erstellen. Die Polizei entwickelte die Idee weiter – zu einer Erfolgskampagne mit erstaunlichem Ausmaß.
Anne Herr ist 36 Jahre jung, studierte Psychologin und im Nebenamt mit viel Leidenschaft Notfallsanitäterin. Sie kommt aus der Gewaltforschung und leitet bei der Polizei Münster die Stabsstelle der Landesinitiative #sicherimDienst. Polizeihauptkommissar Ralf Hövelmann (60) ist ein waschechter Polizist. Von der Pike auf gelernt und mit Erfahrungen in der Bereitschaftspolizei weiß er, was Gewalterfahrung bedeutet. Heute macht er professionelle Öffentlichkeitsarbeit für #sicherimDienst. Mit Polizeioberrat Andre Niewöhner hält jemand den Draht zum Land. Zusammen mit zwei weiteren Mitarbeitern sind sie die Schaltzentrale von #sicherimDienst und damit verantwortlich für ein Netzwerk aus 850 Behörden und Institutionen mit über 2.300 Multiplikatoren.
Wie ist ein solches Netzwerk in wenigen Jahren entstanden? „Die Gewaltforschung ist seit Langem ein Thema, das mich nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht intensiv beschäftigt“, erzählt Anne Herr von ihrem Weg zu #sicherimDienst. „In meinem Nebenamt als Notfallsanitäterin schaue ich durch eine zweite Brille. Die Einblicke sind schockierend. Gewalterfahrung gehört heute zum Alltag.“ Aus einem wissenschaftlichen Projekt heraus schrieb sie 2021 direkt an Innenminister Herbert Reul, um ihn zum Mitmachen zu animieren. Und wurde mit einer Idee aus der Landesregierung NRW konfrontiert. „Andre Niewöhner von der Polizei Münster hatte den Auftrag, einen Leitfaden für Beschäftigte im öffentlichen Dienst zu entwickeln. Ich war sofort Feuer und Flamme für die Idee.“ Aus der Idee wurde ein Projekt. Und das gab sich mit diesem Auftrag nicht zufrieden. „Ein Leitfaden war uns zu wenig“, erläutert Andre Niewöhner. „Wir wollten etwas Substanzielles. Es gab einige Praxisbeispiele, die wir auch anderen an die Hand geben wollten. So entstand die Idee für das Netzwerk. Und als wir das angestoßen hatten, wuchs es rasant. Immer mehr Behörden, immer mehr Menschen meldeten ihre Bedarfe an, wurden Teil des Netzwerks und begannen, Informationen und Best Practices auszutauschen.“
„Während wir in den ersten Monaten eine Flut von Beitritten über Polizeibehörden, Bezirksregierungen, Städte und Kommunen, Krankenhäuser und Schulen bearbeiten mussten, steht heute die aktive Netzwerkarbeit im Vordergrund“, erläutert Ralf Hövelmann die Arbeit von #sicherimDienst. Mittlerweile gibt es Präventionsmaßnahmen, Handlungsempfehlungen, Fortbildungen, Nachsorgemöglichkeiten oder auch konkrete Beratungen im problematischen Einzelfall.
Zwischenzeitlich ist das Netzwerk auf unglaublich vielen Bühnen präsent: Gewaltprävention in Krankenhäusern, baulich-technische Maßnahmen in Kommunen, um Gewalt zu verhindern, Schutz von politisch Aktiven vor gewalttätigen Übergriffen oder Hilfestellungen für Justizangestellte, die in ihrem Alltag immer mehr Gewalt erleben. Das sind nur einige Beispiele. „Nie im Leben hätten wir erwartet, dass die Arbeit im Netzwerk von so viel guten Inhalten, von so viel Substanz geprägt sein wird“, beschreibt Hövelmann die Situation. Er macht es an einem praktischen Beispiel fest: „In Vorbereitung auf die Fußball-Europameisterschaft haben wir mit den NRW-Verkehrsbetrieben Lagetrainings für Bus- und Zugfahrer und für Fahrgastbegleiter durchgeführt. Ganz praxisnah in Bussen und Bahnen. Zusätzlich entwickelten die Beteiligten Schulungskonzepte für den eigenen Verkehrsbetrieb. Das war ein großer Erfolg, von dem die Beteiligten sicher auch langfristig profitieren.“
Ganz pragmatisch gibt es von #sicherimDienst auch etwas an die Hand. „Unsere Taschenkarten mit Präventionstipps für unterschiedliche Berufsgruppen finden großen Absatz und machen wirklich Sinn“, bekräftigt Hövelmann. Die Karten gibt es unter anderem speziell für die Sicherheit von Mandatsträgern sowie von Beschäftigten im ÖPNV oder bei Straßen NRW.
„Es ist beeindruckend, wie das Netzwerk auch über die Grenzen von NRW hinaus weiter wächst. Wir freuen uns darüber. Jede neue Institution ist ein Gewinn und stärkt die Netzwerkarbeit. Für die Sicherheit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst“, sagt Andre Niewöhner.
#sicherimDienst behandelt ein gesellschaftlich enorm relevantes Thema und trifft den Nerv der Zeit. Am Ende geht es um das Vertrauen der Menschen in den Staat. So lange die Polarisierung in unserer Gesellschaft weiter voranschreitet, so lange wir das Vertrauen in den Staat nicht wiederherstellen, so lange hat #sicherimDienst enorm viel zu tun.